Offenbach Post, 18. August 2006
Aus dem Blickwinkel einer WaldarbeiterinWaltraud Munz installiert einen riesigen Ameisenhaufen
Dietzenbach (jw) - Zur Ameise macht Waltraud Munz die Besucher des Darmstädter Waldkunstpfades. In Anlehnung an Jonathan Swifts "Gullivers Reisen" verändert die Dietzenbacher Künstlerin mit ihrer Installation "Anthill oder Gullivers Reise nach Brobdingnag - dem Reich der Riesen" bei der dritten Auflage des Internationalen Waldkunstpfades die Perspektive des Betrachters, lässt ihn den Blickwinkel der fleißigen Waldarbeiter erfahren.
Am Herrgottsberg im Bessunger Forst bei Darmstadt bereitet Munz einen begehbaren Ameisenhügel vor. In einer Mulde am Hang imitiert eine Baustahlgitter-Montage die verschlungenen Wege des bergigen Insektenbaus. "Zwei Wege führen durch die Installation. Der Hauptweg schlängelt sich zwischen den Douglasien hindurch", erläutert Munz. Umhüllt ist das Gerüst mit schwarzer, blickdichter Silofolie. "So soll der Besucher das Gefühl erhalten, in die Rolle einer Ameise zu schlüpfen", erklärt die Künstlerin. Im Vorfeld hat sich Munz, die seit ihren Kindheitstagen fasziniert ist von den flinken Insekten, intensiv mit den Eigenheiten der Tiere beschäftigt. "Im Hügel kommunizieren die Ameisen über Düfte, die sie absondern", erläutert die Dietzenbacherin. Da Ameisensäure der menschlichen Nase wenig
Hochzeitsflug endet für Männchen tragisch
Freude bereitet, hat sie sich für Orangen- und Fichtennadeldüfte entschieden, um die beiden verschiedenen Wege durch ihren Hügel zu kennzeichnen. Überspannt ist die Konstruktion mit einem Tarnnetz, so dass der riesige Ameisenhügel wieder im Berg verschwindet.
Eine zweite Installation der Künstlerin führt den 40 Meter langen Hang auf den Berg hinauf. Ein vier Meter breites Netz wird über den Pfad gespannt, daran hängen überdimensionale bläulich-grüne Insektenflügel. "Die kalten Farben sind ein Kontrast zu den Farben der Natur, aus der Entfernung wirken sie wie ein Wasserfall", schwärmt die Künstlerin. Angeregt zu diesem untypischen Wegweiser hat die Künstlerin der Hochzeitsflug der Ameisen. "Die Männchen bekommen zur Begattungszeit Flügel. Ebenso die Königinnen", erzählt Waltraud Munz. Doch für einen der beiden endet das Liebesspiel tragisch: Nach der Begattung sterben die Männchen, während die Königinnen die Flügel abwerfen und sich in den Ameisenbau zurückziehen, um Eier zu legen.
14 Künstler aus vier Kontinenten beteiligen sich an dem Kunstfestival, das am 26. August um 15 Uhr auf der Darmstädter Ludwigshöhe eröffnet wird. Zu besichtigen sind die Installationen am Waldkunstpfad bis zum 24. September.
Mit der Aktion "Die Befreiung der Königin der Nacht" beteiligen sich Waltraud Munz und Architekt Jürgen Reitz, der sie bei den Installationen unterstützt, auch an der langen Nacht der Museen am 22. September an gleicher Stelle. Nähere Informationen finden sich im Internet (www.waldkunst.com).
jenny westphal