Darmstädter Echo, 28. August 2006
Expedition in die Höhle der AmeisenEröffnung: „Das war super, besser als im Kino“: Mit Kindern auf dem Waldkunstpfad im Darmstädter Forst
DARMSTADT. Kinder haben die Nase vorn. „Hier sind die Ameisen, Mama“, ruft Janik entzückt und hüpft vom Weg ab zur schillernden Installation von Waltraud Munz. „Da müssen wir jetzt rauf, Mama, oben ist eine Höhle“, strahlt der Achtjährige. Woher er das weiß? Wohl kaum aus der kleinen Broschüre, in der die Mutter immer wieder blättert, sich am Lageplan über das Forstrevier am Darmstädter Böllenfalltor orientiert, die Künstlerliste und deren Werkbeschreibungen studiert. Womöglich hat Janik zuvor an diesem Samstag einfach bei der Eröffnung des dritten Waldkunstpfades aufgepasst, als Kuratorin Ute Ritschel die 14 Künstler aus zehn Ländern vorstellte. Schließlich hat sie extra darauf hingewiesen, dass die Arbeiten auch Kindern Spaß machen sollen. Wobei die Kleinen wohl kaum die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern interessiert, die der Biennale diesmal den Namen gibt: „Laboratorium“.
Der Wald wird zum Labor für künstlerisch-wissenschaftliche Projekte, die in den kommenden Wochen zu sehen sind. Für die Erwachsenen gibt es viel Hintersinn zu entdecken. Beispielsweise bei Lisa Kaftoris Installation „Voices, Echoes, Reflections“ im Ludwigshöhturm: Eine sanfte Vorlesestimme begleitet mit Peter Handkes kurzer „Fabel von einer Esche“ über Lautsprecher den Weg nach oben. Runde Spiegel liegen auf den Stufen, kleine Schemel mit eingelassenem Kompass tauchen auf. Die Gedanken bilden beim Aufstieg Assoziationen. Der Turm steht als symbolischer Ort mitten im Wald und erinnert an das Märchen von Rapunzel, während die Wendeltreppe sich als Labyrinth in die Höhe schraubt. Das Auf und Ab menschlichen Lebens verstärken die Blicke in die ausgelegten Spiegel: Abgründe tun sich darin auf.
Ungewöhnlich ist auch der Benzingeruch an zwei Erdvertiefungen, die Jems Robert Koko Bi von der Elfenbeinküste mit hölzernen Thronsesseln und angespitzten Baumstämmen bestückt hat. Seine Performance erklärt die Ursache der Luftverunreinigung. Trommelklänge entführen nach Afrika. Fackeln entzünden die mit Benzin überschütteten Stämme. Mit bloßen Händen schlägt Koko Bi die letzten Flammen aus, um dann ein junges Birkenbäumchen zu pflanzen. Tod, Sterben, Schmerz und neues Leben versinnbildlicht seine Installation „Erinnern – Wiederholen – Durcharbeiten“.
Während die erwachsenen Beobachter einigermaßen betroffen dreinschauen, gehen Kinder ganz unbefangen mit dem Gesehenen um. „Das war super, besser als im Kino“, sagt ein kleiner Junge und strebt, den Vater an der Hand, in Richtung Pravdoliub Ivanovs „Steg“. Dass dieser „gegen die Furcht des Menschen beim Spazierengehen im tiefen Wald“ gebaut ist – davon hat der Knirps sichtlich keine Ahnung. Und das ist wohl das Faszinierende an dem Waldkunstpfad: Jeder entdeckt ihn auf seine Weise.
Bis 24. September. Ein Informationsstand ist in der Nähe des Waldparkplatzes am Polizeipräsidium aufgebaut, geöffnet samstags 14 bis 19 und sonntags 11 bis 19 Uhr. Dort gibt es für drei Euro die Broschüre mit Lageplan und Künstlerliste. Das Heft ist auch beim Ticketshop im Darmstädter Luisencenter erhältlich.
Elke Lipp
28.8.2006